Im Folgenden finden sich einige Erläuterungen, um Herangehensweise und Entscheidungen zur Music C•A•R•E•S Plattform transparent darzustellen. Da das Projekt bis dato von unregelmäßigen und unplanbaren Förderrunden abhängig ist, befindet es sich in laufender Entwicklung - so auch diese Transparenzerklärung. Es gibt nachfolgend Hintergrundinformationen zu Struktur und Bewertungssystemen der einzelnen Tools:
Music C•A•R•E•S hat das Ziel zu ermöglichen, Musikveranstaltungen nachhaltiger umzusetzen – so schnell und einfach wie möglich. Generell soll mit dem Tool sichtbar werden, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Musikveranstaltungen optimierbar und nachhaltigeres Handeln möglich ist.
Der Music C•A•R•E•S CO₂-Rechner ermittelt ausgewählte, relevante Treibhausgasemissionen deiner Veranstaltung und kann die CO₂-Ergebnisse der verschiedenen Bereiche übersichtlich darstellen. In Zusammenarbeit mit den Ökobilanzexpert*innen von myclimate erarbeiteten wir die dahinterliegenden Formeln, welche öffentlich verfügbare, aber teils angepasste Emissionsfaktoren beinhalten.
Wir verfolgen mit der CO₂-Kalkulation eine pragmatische Herangehensweise, durch die die Nutzung des Tools dem realen Alltag von Veranstalter*innen zugute kommen soll - ein Einstieg in die komplexen Prozesse von Nachhaltigkeit und Berichterstattung bzw. Dokumentation dazu:
Unser Fokus liegt nicht auf einem hochdetaillierten CO₂-Rechner:
Bei der Erstellung des Rechners basieren die Entscheidungen zu den einzelnen Themenbereichen unter anderem auf frei verfügbarem Wissen, z.B. auf der Impact-Matrix von Cradle to Cradle (Quelle Stand: 11.09.23) sowie auf unseren jahrelangen Erfahrungen und Kontakten aus dem Berliner Musikveranstaltungsbetrieb. In Zusammenarbeit mit der Ökobilanzexpert*in von myclimate entwickelten wir das Modell (Formeln und passende Emissionsfaktoren) für die Pilotversion.
Innerhalb der Userabfrage werden Kriterien abgefragt, welche für Veranstalter*innen realistisch änderbar/umsetzbar sein sollen, sodass eine Hebelwirkung für sofortige Einsparungen von Emissionen angeregt wird. Von eher kleinen, unkommerziell geführten, aber sozial wertvollen Locations kann etwa nicht pauschal erwartet werden, dass sie ihre gesamte Infrastruktur mit nachhaltigen, aber teuren Innovationen überarbeiten. Wir konzentrieren uns in der Pilotversion zunächst auf die relevantesten Bereiche (Mobilität, Location, Catering, Merch); d.h. die Bereiche, die bezüglich Musikveranstaltungen am meisten Emissionen verursachen (Quelle: Stand 30.01.2025)- diese Logik setzt sich ebenso für die Unterbereiche fort (z.B. bei Location: Strom & Wärmeerzeugung).
Zusätzlich haben wir einige Themen inkludiert, die uns persönlich am Herzen liegen und auf die wir aufmerksam machen möchten; selbst wenn ihr CO₂ Impact gar nicht mal so gravierend ist (z.B. bei Location: Müll, der eigentlich eine kreislauffähige Ressource sein sollte, oder Wasser). Das Tool empfiehlt sich für die Nutzung vor, während und nach der Veranstaltungsplanung. Im besten Fall wird sie wiederholt genutzt, beispielsweise für Veranstaltungsreihen, sodass Daten und Erfahrungen gesammelt sowie eigene Ziele gesetzt und evaluiert werden können.
Das Tool berücksichtigt aktuell nur einige ausgewählte Emissionsquellen, was die Präzision der Berechnungen theoretisch einschränkt. Diese Einschränkung war zu Beginn auf die Machbarkeit innerhalb der ersten Förderrunde zurückzuführen. Eine vollständige Erfassung aller Emissionen eines Produktes oder einer Dienstleistung ist jedoch aufgrund der Komplexität und Variabilität von Faktoren wie Lieferketten oder indirekten Emissionen sowieso nicht möglich. Stattdessen verwenden wir Emissionsfaktoren, die den durchschnittlichen Lebenszyklus typischer Tätigkeiten und Produkte bei Veranstaltungen abbilden (Stand 2023). Mit den angebotenen Bereichen sind die relevantesten Themen momentan für uns zufriedenstellend abgedeckt soweit wir dies im Rahmen der bis dato erfolgten Förderungen realisieren können. Sollte eine genauere Erfassung der Bereiche oder der Einbezug neuer Bereiche zu einem anderen Zeitpunkt doch anvisiert werden, könnte dies z.B. durch Kooperation mit entsprechenden Institutionen möglich sein (etwa mit dem Umweltbundesamt, Kulturrechner des ANKM, myclimate). Die angezeigten Ergebnisse sind stets von vorab getroffenen Annahmen, der verfügbaren Datenbasis und nicht zuletzt von den individuellen Entscheidungen der Nutzer*innen, abhängig. Je nach Art der Veranstaltung hängt es davon ab, wo die Prioritäten zur Auswahl nachhaltiger Maßnahmen liegen (sollten). Daher sind alle Berechnungen mit Unsicherheiten behaftet. Diese Sachlage muss umso mehr für die Beispielwerte berücksichtigt werden: Die angebotenen Beispielwerte basieren auf einer begrenzten Datenlage und sind daher nur grobe Richtwerte ohne allgemeine Anwendungsgültigkeit. Die Werte sind zwar möglichst systematisch errechnet, stellen aber keine exakten Durchschnittswerte für jede punktuelle Gästeanzahl dar sondern bieten eine Orientierung. Sie sind nicht wissenschaftlich validiert und können signifikant von den tatsächlichen Emissionen abweichen.
In der Ergebnisansicht zeigt ein Donutdiagramm zunächst die anteilige Verteilung der CO₂-Emissionen (in kg) der in der Userabfrage wählbaren Bereiche Mobilität, Location, Merchandise und Catering (ob mit oder ohne Nutzung der Beispielwerte). Wurde ein Bereich ausgespart, also gar nichts ausgefüllt, werden automatisch Beispielwerte für den Bereich oder Unterbereich eingerechnet. Klickt man auf die einzelnen Bereiche in der 'Tabelle' der Ergebnisansicht, kann man sich genauer anzeigen lassen, wie die anteilige Verteilung der CO₂-Emissionen in kg innerhalb eines Bereiches aussieht. Hier in diesem Modus/in dieser Ansicht ist auch erkennbar, für welche Sub-Bereiche die Verwendung von Beispielwerten gewählt wurde (dies ist durch einen Stern an der kg-Anzahl markiert).
Es ist zunächst wichtig anzumerken, dass die hier verwendete Bezeichnung CO₂ nicht ganz präzise ist, da genau genommen CO₂-Äquivalente (CO₂e) mit eingerechnet sind. Die errechneten Werte beinhalten somit zusätzliche Treibhausgase, die für die bessere Verständlichkeit und Lesbarkeit bezüglich ihrer Wirkung in CO₂ umgerechnet und zusammengefasst werden (Quelle Stand 11.09.23). Die Formeln basieren auf wissenschaftlichen Methoden und wurden in Zusammenarbeit mit einer Ökobilanzexpertin von myclimate entwickelt. Die verwendeten Emissionsfaktoren für die Berechnungen stammen aus wissenschaftlichen Quellen und wurden uns von myclimate zur Verfügung gestellt (Stand 29.06.2023). Die genauen Quellen und Berechnungsgrundlagen der Emissionsfaktoren sind öffentlich zugänglich und wir können unsere Emissionsfaktortabelle bei Bedarf auf Anfrage auch herausgeben.
Wo nötig, haben wir die Emissionsfaktoren in Zusammenarbeit mit der Ökobilanzexpertin für das Music C•A•R•E•S Tool angepasst. Diese Emissionsfaktoren basieren demnach auf fundierten wissenschaftlichen Methoden und sind darauf ausgelegt, eine realistische Schätzung der CO₂-Emissionen für die jeweiligen Aktivitäten zu liefern. Sie sind teilweise unscharf und werden wo möglich auch wieder aktualisiert. Im Folgenden soll auf Besonderheiten von Berechnungen, Emissionsfaktoren und die damit zusammenhängenden Annahmen und Entscheidungen eingegangen werden, um unsere Herangehensweise transparent zu machen:
Mobilität& Transport - Gäste:
Mobilität & Transport - externe Technik & Infrastruktur:
Mobilität & Transport - Artists
Location - Strom
Location - Wärme
Location - Müll
Location - Wasser
Catering - Gäste & Crew Essen:
Catering - Gäste&Crew Getränke:
Merch - T-Shirts:
Merch - Platten:
Die Beispielwerte dienen in zweierlei Hinsicht:
Die einzelnen Beispielwerte in dieser Pilotversion basieren auf einer Mischung aus Datenakquise im Musikveranstaltungsnetzwerk und Open-Source-Daten von Locations und Veranstaltungen. Die Datenlage (aus Berliner Quellen) für die Beispielwerte wurde im Frühjahr 2025 durch erfasste Touringdaten aus der Masterarbeit von Kim Laber erweitert und verbessert, in dem die Beispielwerte mit deutschlandweiten Zahlen aus mehreren Veranstaltungen fundiert wurde. Den Nutzer* innen steht auch die Option einer Gesamtschätzung der Veranstaltung zur Verfügung, wenn sie die Anzahl der Gäste eingeben und für jeden Bereich die Funktion eines Beispielwertes auswählen.
Die jeweiligen Beispielwerte wurden stets für drei Veranstaltungsgrößen erstellt bzw. (um-)gerechnet. Auf diese Art wird verhindert, dass eine höhere Besucherzahl automatisch negativer bewertet wird.
Sonstige wissenswerte Annahmen und Hintergründe unsererseits zu verschiedenen Bereichen dienen wie folgt zur Berechnung der Beispielwerte:
In der aktuellen Pilotversion bezogen sich die Beispielwerte und die Einordnung im Tacho der Ergebnisansicht also zunächst explizit auf die Musikveranstaltungsszene in Berlin, nun sind wir dabei diese Teile von Music C•A•R•E•S zu erweitern und über Berlin hinaus anwendbar machen. Wie weiter oben bereits erwähnt, ist die Beispielwertthematik bereits auf Deutschland erweitert (Stand 14.04.25). Inwiefern das Ganze europaweit nutzbar zu machen ist ist, erarbeiten wir im Laufe des Jahres 2025. Das Tool steht jedoch selbstverständlich bereits auch Akteur*innen außerhalb Berlins und Deutschland zur Verfügung, um es zu testen.
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An dieser Stelle werden wir im Sinne der Transparenz erläutern, wie unser Verständnis von sozialer Nachhaltigkeit sich zusammensetzt: Welche Perspektive nehmen wir ein, welche Bezüge nutzen wir, warum ist dies explizit relevant im Kontext von Musikveranstaltungen, wie(so) entwickelten wir die vorhandenen einzelnen Bereichen und Kriterien und was ist relevant bezüglich des genutzten Bewertungssystems.
Soziale Nachhaltigkeit ist eine der drei Dimensionen von Nachhaltigkeit (Ökologisch, Ökonomisch, Sozial) und bezieht sich auf Individuen und Gesellschaft. Für unser Verständnis ist sie jedoch nicht von den anderen Dimensionen trennbar, sondern existenziell verknüpft: Nur in der Verbindung aller drei Dimensionen kann Nachhaltigkeit ent -und bestehen. Übergreifend geht es bei sozialer Nachhaltigkeit darum, dass die Bedürfnisse von allen Menschen beachtet/befriedigt werden, ohne dass das Wohlergehen zukünftiger Generationen gefährdet ist - durch ein stabiles, friedliches Zusammenleben (Quelle oder Quelle Stand 01.09.25).
Auf politischer Ebene ist soziale Nachhaltigkeit relevant, da sie sich auf Gesetze und Regelungen auswirkt, die unter anderem den Schutz der Menschenrechte gewährleisten. Wir vertreten die Perspektive, dass dies nur in demokratischen Systemen möglich ist bzw. es demokratische Prozesse (etwa Partizipation) sogar braucht, um soziale Nachhaltigkeit herzustellen und zu halten (vgl. Quelle Stand 01.09.25). Sozial nachhaltiges Handeln muss allen Nachhaltigkeitsmaßnahmen inhärent sein; sodass Bürger*innen nicht bloß zwischen abgeschlossenen Konzepten wählen können sondern wirklich Teil der gesellschaftlichen Entwicklung sind (Quelle Stand 01.09.25). Ziele sozialer Nachhaltigkeit sind also ganz generell Chancengleichheit, Zugang zu Bildung und Informationen, Gesundheitsversorgung, ein gesicherter Arbeitsplatz und starke Gemeinschaften sowie die Möglichkeit, sich am gesellschaftlichen Leben beteiligen zu können (Quelle oder Quelle Stand 01.09.25).
Diese Ziele sind für manche Menschen oftmals durch Geschlecht, Herkunft, sozialen Status oder andere Diskriminierungsfaktoren schwerer oder gar nicht erreichbar. Es ist somit auch maßgeblich, kulturelle Vielfalt in ihren unterschiedlichen Formen anzuerkennen, zu respektieren und einzubeziehen um Gerechtigkeit herzustellen. Nur auf diese Weise kann soziales Potential bzw. können soziale Ressourcen wie Toleranz, Solidarität, Gemeinwohlorientierung und Gerechtigkeitssinn sich entfalten (Quelle S.7, Stand 10.06.25). Denkt man dies in Bezug auf den Kapitalismus weiter, kann nur durch Veränderungen in den sozialen Beziehungen auf Mikroebene eine wahre gesellschaftliche, systemische Entwicklung passieren und demnach unser Wirtschaften nachhaltiger werden. Es geht also eben nicht bloß darum, Produkte und Dienstleistungen ökologisch und sozial verträglicher herzustellen ('do less harm'), sondern (neue) Produkte, Dienstleistungen und Verfahren herzustellen, die per se/inhärent einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten bzw. die ein ökologisches oder soziales Problem lösen ('do more good') (Quelle Stand 24.06.25).
Wie hart die Klimakrise trifft, ist nicht nur vom geografischen Wohnort der Menschen abhängig, sondern auch von den oben genannten Faktoren (Quelle S.12, Stand 24.06.25). "Die Konsequenzen der Klimakrise sind vor allem dort zu spüren, wo ohnehin schon Armut, Konflikte und Kriege destabilisierend auf Gesellschaften wirken – und treffen damit die Menschen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben." (Quelle S.9, Stand 17.07.25). Historisch gesehen haben Jahrhunderte des Kolonialismus durch Unterdrückung, Ausbeutung und kulturelle Entwertung bis heute weltweite soziale Ungleichheit geprägt. Dies hat nicht bloß die Entwicklung vieler Länder des globalen Südens beeinflusst sondern auch ein weit verbreitetes eurozentrisches Weltbild, welches europäische Normen und Werte als universell darstellt. Dieses Weltbild schränkt auch ganz aktuell soziale Nachhaltigkeit ein, da es vielfältige Perspektiven und Lebensweisen ausblendet. Deutlich wird, dass es einer ungleichen Machtverteilung entspringt und eine vorherrschende Kultur dann auch definiert, was Abweichung von einer Norm heißt. Dies zeigt sich oft ganz konkret darin, dass etwa 'Weltverbesserer' aus priviligierten, westlichen Kulturen schon lange außerhalb Europas Naturschutzprojekte betreiben und sich auf teilweise ignorante Art und Weise damit brüsten, ohne sich mit der vor Ort lebenden Bevölkerung auf Augenhöhe auszutauschen/zusammenzuarbeiten - oder gar die Bevölkerung gewaltsam vertrieben wird. Es wird sich oft auch auf sogenannte innovative Konzepte und neue, teils komplexe und aufwendige technische Maßnahmen bezogen, die außer Acht lassen, bestehende Ökosysteme, funktionierende Umgangsweisen und Mechanismen entsprechend zu schützen und zu fördern. Unter derartig missgeleiteten Entwicklungen wird also verfehlt anzuerkennen, dass es vor Ort bereits andere, tief in der Gesellschaft verankerte nachhaltige Lebensweisen und Maßnahmen gibt (Quelle Stand 01.09.25). In Bezug auf die Analyse von Intersektionalität wurde dies wie folgt auf den Punkt gebracht: Es „ergibt sich der zentrale Widerspruch der westlichen Moderne, nämlich die Gleichheit aller Menschen zu behaupten und sie zugleich zu negieren, (...)“ (Rommelspacher 2009: S.84). So erfordert nachhaltige soziale Entwicklung stets auch eine Anerkennung und kritische Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit um dem institutionalisierten, globalen Machtgefälle zu begegnen und eine grundlegende Offenheit gegenüber nicht-westlichen kulturellen Werten. Ungleichheit ist der zentrale gesellschaftliche Konflikt und steht somit sozialer Nachhaltigkeit explizit 'im Weg'.
In der Musikveranstaltungsbranche kann viel dafür getan werden, soziale Nachhaltigkeit umzusetzen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Eine Veranstaltungslocation oder eine Veranstaltungsagentur hat zum Beispiel als Arbeitsgeber* in die Möglichkeit nicht nur ökonomische Interessen umzusetzen sondern auch die sozialen Auswirkungen der Aktivitäten zu berücksichtigen bzw. faire Arbeitsbedingungen und ein positives Arbeitsklima schaffen. Einzelne Veranstalter* innen können mit Format und Inhalt ihrer Veranstaltungen intern progressive Konzeptionen erarbeiten und nach außen hin Zeichen setzen sowie gezielte Publikumskommunikation betreiben. Im Kontext solcher Veranstaltungen ist es außerdem gut möglich, hochwertige Inhalte (kultureller) Bildung niedrigschwellig, also auch für benachteiligte Gruppen, zu vermitteln. Musikveranstaltungen sind auch dazu geeignet, (lokale) Gemeinschaften und Identitäten durch gemeinsame Erlebnisse zu stärken. Es gibt schon viele Jahre Musikclubs und Festivals, die sich seit langem mit diesen Themen auseinandersetzen und versuchen, das positive Potential sozialer Nachhaltigkeit herauszuarbeiten. Durch das Medium Musik und den Veranstaltungsort als sozialen Raum kann nachhaltiges Handeln, sozial und ökologisch, ausprobiert, vorgelebt und inspiriert werden (vgl. Quelle Stand 01.09.25). Letztendlich ist auch die Bildung der vier Überbereiche in denen die Kriterien zu Gruppen geclustert sind, von diesem Verständnis geprägt - auch wenn die Sortierung der einzelnen Kriterien sich im Prozess mehrmals geändert hat.
So zielt der Bereich Arbeitsbedingungen und Rechte darauf ab, wie das faktische Gerüst der Arbeitsbedingungen aussieht: Es geht um faire Vergütung, die zeitlichen Umstände für alle Beteiligten im Arbeitsverhältnis sowie die Fortschrittlichkeit der Organisationsformen. Kürzere Arbeitszeiten, flache und aufgebrochene Hierarchien beinhalten großes transformatives Potential für zukunftsorientiertes Wirtschaften (Quelle Stand 01.09.25). Es gibt jedoch auch viele bereits bestehende Gesetzeslagen, auf die man sich diesbezüglich berufen kann: Zum Beispiel besteht nach § 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) die gesetzliche Verpflichtung für alle Arbeitgeber* innen, eine betriebsinterne Beschwerdestelle einzurichten, um sexuelle Belästigungen gezielt melden zu können.
Teilhabe und Inklusion bezieht sich darauf, wer überhaupt zur Veranstaltung kommen kann bzw. eine Teilnahme für möglichst alle Menschen zu ermöglichen. Hier kann durch bewusste Kommunikation und Struktur der Veranstaltung viel bewegt werden: Zum Beispiel eine Entscheidung zu treffen, weniger oder keine 'großen' internationalen Headliner zu buchen sodass es die Möglichkeit gibt, Freikartenkontingente bereitzustellen -gleichzeitig wird die Entwicklung der lokalen Musikwirtschaft und Identifikation mit und über Musikveranstaltungen gefördert.
Awareness und Verantwortung als Bereich bezieht sich auf den Umgang und das Verhältnis der Menschen untereinander: Im internen Team, extern gegenüber dem potentiellen Publikum und unter den Gästen. Durch Awarenesskonzepte und verantwortungsvolles Handeln der Veranstalter* innen sollte auf allen Ebenen für Themen wie zum Beispiel Rassismus und Sexismus sensibilisiert und eine respektvolle und freundliche Atmosphäre geschaffen werden.
Der Community und Engagement-Bereich bezieht sich darauf, dass Musikveranstaltungen potentiell zur Gemeinschaftsbildung beitragen können und sich immer auch in der lokalen Umgebung/Nachbarschaft verorten (müssen). Musikveranstaltungen können Engagement inspirieren, beherbergen und multiplizieren sowie niedrigschwellige kulturelle Bildungsformate realisieren. "Kulturelle Bildung umfasst vielfältige Aktivitäten, die es Menschen ermöglichen, sich mit Kunst und Kultur auseinanderzusetzen. Sie fördert die persönliche Entwicklung, das demokratische Miteinander und eröffnet neue Perspektiven auf die Welt. Außerdem schafft sie Räume für kreative Entfaltung und freiwilliges Engagement." (Quelle Stand 01.09.25).
Da es eine Userabfrage in der Form wie wir es uns vorstellen so noch nicht gab, bestand ein großer Teil der Entwicklung aus intensiven Textrecherchen. Das Konzept glichen wir daraufhin mit Expert* innen ab. Letztendlich ergaben sich die finalen Kriterien und der Umfang der gesamten Abfrage dadurch, was denn überhaupt von Usern (=Veranstalter* innen, Locationbesitzer* innen...) realistisch erfragbar ist. Maßgeblich war zunächst der Abgleich mit den SDGs (SDG-Portal); bezüglich sozialer Nachhaltigkeit also vor allem Nr.4) Quality Education (inklusiv, gleichberechtigt, hochwertig, lebenslang), Nr. 5) gender equality (Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung), Nr.8) decent work (economic growth und menschenwürdige Arbeit), Nr.10) reduced inequalities (Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern/ Chancengleichheit aller Menschen) und Nr. 12) responsible consumption and production (soziale Risiken verringern, Informiertheit erhöhen). So entstand die Sammlung und Konkretisierung der Kriterien zur sozialen Nachhaltigkeit daraufhin aus folgenden, weiteren Bezügen:
Zudem standen wir zum einen im Austausch mit dem Projekt 'leaving handprints' (https://leaving-handprints.de), dessen Mitgliederinnen sowohl veranstaltungserfahren als auch „Nachhaltigkeitsmanagerinnen für Kultur, Medien & Bildung“ sind (zertifiziert vom Institut für Zukunftskultur). Zum anderen mit Herrn Dr. Manuel Rivera, welcher sich aus soziologischer Perspektive schon viel mit Nachhaltigkeit im Kultursektor, mit Nachhaltigkeitskommunikation, Transformation und Innovation sowie der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft befasste. Er versicherte uns u.a., dass die Verwendung der Begrifflichkeiten nicht einem bestimmten (wissenschaftlichen) Schema folgen müsse, sondern vor allem verständlich für das Zielpublikum (=User) sein sollte. Durchgehend versuchten wir immer wieder, die Kriterien nicht zu akademisch zu formulieren und alle wichtigen Begriffe sowie Tipps und sonstige Erklärungen über Infobuttons zu erläutern.
Da kein vergleichbares Konzept zur Userabfrage auffindbar war, mussten wir uns auch über die Antwortmöglichkeiten und damit zusammenhängend die Bewertungsstruktur für derart qualitative Kriterien klarwerden. Manche der Kriterien wären wohl mit Ja/Nein beantwortbar, viele enthielten aber so viel Information, dass Abstufungen in der Antwortmöglichkeit wichtig wurden. Nach einiger Diskussion und Feedback von außen entschieden wir uns, hauptsächlich eine 5-er Antwortskala zu verwenden, wie sie in vielen klassischen Fragebögen verwendet wird (vor allem Meinungsumfragen); sie ist leicht zu verstehen und leicht zu quantifizieren. Bei der Auswahl der Antwortmöglichkeiten könnten emotionale Faktoren die Befragten beeinflussen, dies ist jedoch ein generelles Problem in qualitativen Befragungen. An zwei Stellen haben wir uns für eine einfache Ja/Nein-Antwortmöglichkeit entschieden, da in diesen Fällen keine Abstufungen nötig sind. Es geht ausschließlich um die klare Feststellung, ob das Kriterium erfüllt ist oder nicht, wodurch ein Handlungsspielraum entfällt.
Indem das Maß an Zustimmung oder Ablehnung einer Aussage zu messen ist, gibt es natürlich auch eine differenziertere Möglichkeit zur Bewertung(sdarstellung) für jedes einzelne Kriterium. Die Aushandlung, wie genau die Punkteverteilung bzw. das Ergebnis aussieht, fand final mit UX/UI statt. Wir entschieden uns, dass die Antwortskala von 0 Punkten (für 'trifft nicht zu') bis zu 4 Punkten ('für 'trifft zu') gehen sollte und die Punkteverteilung innerhalb der Ergebnisansicht ersichtlich ist.
Literatur:
Für die erste Pilotversion von Music C•A•R•E•S entschieden wir, nur eine kleine und beispielhafte Sammlung von händisch ausgesuchten Anbieter* innen aus dem Berliner Raum aufzunehmen. Dies sollte zunächst nur zeigen, wie das Funktionsprinzip eines solchen Anbieter* innenverzeichnis aussehen kann und es lagen noch keine konkreten Kriterien zugrunde. Sobald wir eine zweite Förderung erhielten, entwickelten wir wieder in Zusammenarbeit mit Ökobilanzexpert* innen von myclimate Kriterien für die Aufnahme von Anbieter* innen in das Verzeichnis. Dabei wurde direkt von Anfang an klar, dass es dafür klare Begrenzungen der Machbarkeit gab: Die Kriterien mussten sowohl für uns intern im Team zeitlich und inhaltlich realistisch überprüfbar sein (inklusive Kontrolle 1x/Jahr) als auch für die potentiellen Anbieter* innen ohne viel Aufwand zu beantworten. Theoretisch könnte man diesbezüglich etwa auf eine Überprüfung nach Zertifikaten setzen; wir entschieden uns jedoch dagegen, dies als Hauptkriterium zu fokussieren. Das entsprach vor allem unserem Ansatz, dass Zertifizierungen oft das Problem beinhalten, dass kleine und mittelständische Betriebe sich dies finanziell nicht leisten können, teilweise obwohl sie würdige Produkte oder Dienstleistungen anbieten oder sogar gänzlich neue 'best-practice' Modelle anbieten. Gerade diese Akteur* innen in der Musikveranstaltungsszene und angrenzenden Gewerben zu stärken und über die Music C•A•R•E•S Plattform als Netzwerk zu etablieren ist jedoch eins unserer Hauptziele.
Somit stellten wir uns der Aufgabe, für jeden Bereich (Mobilität, Location, Merchandise, Catering) eigene Kriterien zu formulieren. Diese werden in Form einer Checkliste von den Anbieter* innen per Mail abgefragt und demnach über die Aufnahme in unser Verzeichnis entschieden. Anbieter* innen füllen ein kurzes Formular inklusive Unterschrift aus und bestätigen, ob sie die relevanten Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und in welchem Umfang Maßnahmen umgesetzt werden. Im Prozess haben wir uns also sowohl gefragt, welches die zentralsten Kriterien pro Bereich sein können bzw. müssen und ob es Ausschlusskriterien gibt. Da sowohl die Bereiche sehr unterschiedliche Aspekte behandeln als auch innerhalb eines Bereichs deutlich verschiedenartige Anbieter* innen vorkommen können mussten die Kriterien so konkret wie möglich, aber so offen wie nötig sein. So kamen wir zu einem Modell, in dem es 'harte', zwingend zu erfüllende Kriterien gibt in Kombination mit 'weichen' Kriterien. Nach intensiven Beratungen mit unserem Partner myclimate konnte für jeden Bereich ein Formular erstellt werden, auf dem jeweils mehrere Kriterien abgefragt werden.
Wir entschieden uns somit für folgendes Vorgehen: Für den Bereich Mobilität muss das erste Kriterium "Stellst du als Anbieter* in eine Lösung zur Verfügung, um sich abseits des Autoindividualverkehrs (besser) bewegen zu können?" erfüllt sein und mindestens ein weiteres aus der Liste. Für den Bereich Location muss eins der ersten vier Kriterien erfüllt sein, also: "Ist der Veranstaltungsort mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar (ca. maximal 20min Fußweg) ? (für Locations in Großstädten)" bzw. "Fördert die Location nachhaltige Anreisemöglichkeiten (z.B. Train&Ride, Shuttles)? (für remote Locations, Festivals etc.)" ODER "Bezieht die Location 100% Ökostrom/Strom aus erneuerbaren Quellen?" bzw. "Produziert die Location eigenen Strom aus erneuerbaren Quellen?" Zu einer dieser vier Optionen muss ebenfalls noch ein weiteres Kriterium aus der Liste erfüllt sein. Für den Bereich Merch muss das Kriterium "Verwendest du als Anbieter* in nachhaltige Materialien für die Merchandise-Produkte (z.B. recycelt, Biobaumwolle, Bambus, etc.)?" erfüllt sein, weitere sind optional. Für den Bereich Catering muss für Speise-Anbieter* innen das erste Kriterium "Werden ausschließlich vegane und/oder vegetarische Speisen angeboten?" erfüllt sein und mindestens ein weiteres. Für die Getränke-Anbieter* innen muss das erste Kriterium "Gibt es unter den angebotenen Getränken die Möglichkeit, Produkte mit regionalen und/oder biologischen Inhaltsstoffen zu erhalten?" erfüllt sein.
Die bestehenden Anbieter* innen im Verzeichnis wurden daraufhin ebenfalls überprüft und über den Bestand entschieden. Anbieter* innen, die nicht eindeutig zugeordnet werden können, fallen in die Kategorie 'Sonstiges', der ebenso wie der Kategorie Soziales (noch) keine konkreten Kriterien zugrunde liegen.